Sri Lankas Schicksal – ein Besuch im Tsunami Photo Museum

Sri Lanka Tsunami Photo Museum

10 Jahre. Ein Jubiläum, das eigentlich gefeiert wird.

In Sri Lanka gibt es anlässlich des diesjährigen Jubiläums aber keinen Grund zu feiern. Am 26. Dezember jährt sich das unfassbare Ereignis zum 10. Mal – die Todeswelle, wie die Medien den Tsunami nannten.

Sri Lanka war eines der Länder, die am schlimmsten von der Welle getroffen wurden. Knapp 40.000 Tote, 10.000 Vermisste und eine halbe Million Obdachlose, die alles, was sie hatten, in den Fluten verloren. Vor allem die Menschen an den Küsten hatten nach dem Rückgang des Wassers nichts mehr. Dort, wo einmal Häuser gestanden hatten, waren nur noch Trümmerhaufen.

Auch Kamani fand einen Tag nach der Katastrophe nur noch Trümmer auf dem Grundstück, auf dem einmal ihr Haus gestanden hatte. Heute steht auf genau diesem Grundstück in Telwatta an der Westküste Sri Lankas wieder ein Gebäude: Das Tsunami Photo Museum. Von einer holländischen Volontärin in 2007 eröffnet, wird das Museum heute von Kamani geleitet und beherbergt Hunderte von Fotos von dem Tag des Unglücks und den darauffolgenden Wochen, Monaten und Jahren, in denen die Sri Lanker versuchten, ihr Leben neu aufzubauen.

Sri Lanka Tsunami Photo Museum

Das Museum ist kostenlos, aber es gibt eine Spendenbox. Alle Fotos sind Privataufnahmen und wurden dem Museum ebenfalls gespendet, um dieses unvorstellbare Ereignis für die Nachwelt und die Menschen, die es nicht selbst erlebt haben, festzuhalten. Entsprechend bestürzend sind manche der Bilder. Hier werden nicht nur Trümmerhaufen, zerstörte Straßen und Fahrzeuge gezeigt, sondern auch die Menschen, die der Flutwelle zum Opfer gefallen sind. Am schockierendsten fand ich ein Bild von einem toten Kind, das in den Armen der Eltern lag, die vermutlich noch nicht begriffen hatten, was passiert war.

Auch 10 Jahre nach dem Tsunami fällt es den Menschen in Sri Lanka schwer, darüber zu sprechen. Kamani erzählte uns, wie sie den Tag und die Monate danach erlebt hat, aber sie hatte sichtlich damit zu kämpfen, dass ihre Stimme nicht versagte. Um 9:20 Uhr traf die erste, kleinere Welle auf die Westküste von Sri Lanka. Kamanis Haus war nur durch die zweispurige Galle Road vom Meer getrennt. Als das Wasser die Straße und die Gärten überflutete, fingen Kamani und ihre Familie an, ins Inland zu rennen. Niemand wusste, was eigentlich passierte, aber irgendjemand hatte geschrien, sie sollen rennen, also rannten sie. Sie rannten einen ganzen Kilometer, so schnell sie konnten, bevor sie im Landesinneren ein Gebäude erreichten, in dem sie bleiben konnten.

Sri Lanka Tsunami Photo Museum

Von der zweiten, großen Welle bekam Kamani zum Glück nicht viel mit. Sie wusste aber nach wie vor nicht, was eigentlich passiert war und es traute sich auch niemand, zurück an die Küste zu gehen, um nachzusehen. Erst am nächsten Tag gingen sie zurück zu ihren Häusern – und fanden nur noch riesige Trümmerhaufen vor. Die 10 Meter hohe Welle hatte alles in Küstennähe komplett zerstört.

Sofort nach der Katastrophe kamen unzählige Menschen, um beim Wiederaufbau zu helfen. Sie kümmerten sich in mobilen Krankenhäusern um Verletzte, versorgten die Bewohner mit Essen und Trinken und stellten den Menschen, die ihre Häuser verloren hatten, Zelte zur Verfügung. Kamanis Zelt wurde direkt auf ihrem Grundstück aufgebaut – sie musste also bereits ein paar Tage nach der Katastrophe schon wieder an genau derselben Stelle wohnen, wo das Wasser sie überrascht hatte. Die Löcher, in denen die Zeltstangen verankert waren, sind heute noch im Museum sichtbar. Das Zeltdach hängt in einem zweiten Gebäude im Garten unter der Decke. „Als Erinnerung“, erklärte Kamani und lächelte dabei sogar.

Sri Lanka Tsunami Photo Museum

Sie erzählte uns ein bisschen über einzelne Fotos, über die Orte, an denen sie geschossen wurden. Manche der Orte erkannte ich wieder, zum Beispiel die Hauptstraße in Galle, wo wir ein Mal im Supermarkt einkaufen waren. Die Vorstellung, dass es dort mal so schlimm ausgesehen hat, ist einfach unbegreiflich. Heute ist an den meisten Orten nichts mehr vom Tsunami zu sehen. Einzig ein paar Ruinen an der Küstenstraße erinnern daran, dass hier vor 10 Jahren mal mehr Häuser gestanden haben. Viele Menschen, die früher an der Küste lebten, leben heute im Landesinneren.

Sri Lanka House

So auch Kamanis Familie. Alle haben zu viel Angst, dass das Wasser noch mal zuschlägt. Als ich Kamani fragte, ob sie denn nicht auch Angst habe, stiegen ihr Tränen in die Augen. Natürlich hat sie Angst, aber sie muss sich um das Museum kümmern. Sie hofft, dass das Museum genug Spenden bekommt, dass sie irgendwann auch zu ihrer Familie ziehen kann.

Bis dahin lebt sie in ständiger Angst. Sie schläft nur sehr wenig und sehr schlecht. Das Frühwarnsystem, das nach dem Tsunami installiert wurde, kann jederzeit Alarm schlagen. In den letzten 10 Jahren wurde Sri Lanka sechs Mal gewarnt, soweit Kamani sich erinnern kann. Teilweise nachts, ein Mal sogar an Silvester. Das Essen war schon für die Feier vorbereitet, als der Alarm losging. Und jedes Mal lassen alle Menschen alles stehen und liegen und rennen los. An Silvester kam die Entwarnung bereits ein paar Stunden später, aber dann war auch niemand mehr in Feierlaune.

Kamani erzählte uns auch von dem Ort, an dem die Sri Lanker den Tag des Unglücks zelebrieren. Die Flutwelle führte zum größten Zugunglück aller Zeiten, bei dem knapp 2.000 Menschen starben. Kurz bevor die erste Welle das Land traf, musste der Zug einige Kilometer vor dem nächsten Halt in Hikkaduwa, also ganz in der Nähe des Tsunami Museums, halten. Niemand wusste warum, bis die erste Welle kam, die aber keinen großen Schaden am Zug anrichtete. Die zweite Welle riss den Zug dann aber mit und tötete so fast alle Insassen. Viele Menschen kamen nach der ersten Welle zusätzlich zu den Passagieren in den Zug, weil sie dachten, dort wären sie vor dem Wasser sicher.

Sri Lanka Tsunami Photo Museum Train

Der Zugfahrplan wurde nach dem Tsunami nicht geändert. Bis heute fährt jeden Tag gegen 9:20 Uhr der Zug nach Matara an der Unglücksstelle vorbei. Und jedes Jahr am 26. Dezember fährt der Zug nicht nur vorbei, sondern hält an genau der Stelle für ca. 20 Minuten an. Unzählige Menschen aus ganz Sri Lanka steigen dann mit Blumen und Kerzen in den Zug, um der Opfer des Zugunglücks zu gedenken. Auch Kamani geht jedes Jahr am Unglückstag zum Zug und sie vermutet, dass es dieses Jahr, am 10. Jahrestag, mit Sicherheit noch mehr Leute werden als sonst.

10 Jahre. Ein Jubiläum, das in Sri Lanka nicht gefeiert, aber zelebriert wird.

Über den Autor

Mona

Früher saß ich den ganzen Tag im Büro am Schreibtisch - heute bin ich angehende Weltenbummlerin, Fotografin, Texterin, Geschichtenerzählerin und Reiseplanerin.
In diesem Blog erzähle ich die Geschichten, die mein Freund Patrick und ich auf unserer Weltreise erleben - und gebe Tipps zur richtigen Vorbereitung einer Langzeitreise und zu einzelnen Reisezielen.

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